Leitungswasser statt Wasser aus PET-Flaschen?

Der 5-Punkte-Plan der Bundesministerin

Leitungswasser statt Wasser aus PET-Flaschen?

Weg von der Wegwerfgesellschaft – notfalls mit Verboten. Die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will den Plastikmüll und die Vermüllung der Meere eindämmen. Dafür stellte sie am 27. November 2018 in Berlin einen 5-Punkte-Plan vor, der entsprechende Maßnahmen enthält.

© BMU/Sascha Hilgers / 5-Punkte-Plan der Bundesministerin

Dieser 5-Punkte-Plan1 umfasst

  1. Die Vermeidung überflüssiger Produkte und Verpackungen.
    Entsprechend will die Bundesministerin hierzulande das Trinken von Leitungswasser fördern. Dazu will sie die Verfügbarkeit an öffentlichen Plätzen erleichtern und Nachfüllstationen erschaffen. Eine weitere Maßnahme umfasst das europaweite Verbot überflüssiger Einweg-Plastikartikel wie beispielsweise Plastikbesteck. Zudem will sie Mehrweg stärken.

  2. Umweltfreundliche Gestaltung von Verpackungen und anderen Produkten.
    Geld geht immer. Seit Neujahr 2019 gilt das neue Verpackungsgesetz. Ökologische Kriterien spielen seitdem bei der Bemessung der Lizenentgelte eine Rolle. Ist das Design ökologisch, wird’s günstiger. Zusätzlich soll das seit Anfang 2019 geltende Verpackungsregister gewährleisten, dass die Hersteller die Entsorgung der Verpackungen zahlen.

  3. Recycling fördern; den Einsatz von mehr Rezyklaten erhöhen.
    Der Gesetzesgeber sieht steigende Recyclingquoten von Kunststoffverpackungen vor – und zwar von 36 auf 63 Prozent bis zum Jahr 2022. Damit ist diese in Deutschland schon jetzt weitaus strenger als die EU-Verpackungsrichtlinie, die ab dem Jahr 2025 eine Recyclingquote von 50 Prozent vorsieht. Ab 2030 soll diese dann europaweit 55 Prozent betragen.

  4. Müll richtig trennen, um Kunststoffe in Bioabfällen zu verhindern.
    Hier ist jeder einzelne Bürger gefordert.

  5. International gegen den Meeresmüll und mit Kunststoffen nachhaltiger umgehen.

Die Ziele der Bundesumweltministerin sind durchaus lobenswert und zu unterstützen. Allerdings hat bereits der erste Punkt ihres 5-Punkte-Plans einen Haken: Wenn sie das Mehrweg-Pfandsystem stärken will, sind ihr die Entwicklungen der letzten Jahre entgangen. Neue Ökobilanzen für Getränkeverpackungen sind überfällig, zumal die letzten publizierten aus dem Jahr 2008/2009 stammen.

Wer Mehrweg fördern will, beruft sich auf alte Zahlen

Ist Mehrweg wirklich noch ökologischer? Im Jahr 2017 beauftragte der BGVZ das anerkannte Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) mit einer Studie. Geklärt werden sollte, ob existierende Ökobilanzen bepfandeter Mehrweg- und Einweggetränkeverpackungen eindeutige Ergebnisse für die Entwicklung umweltschonender Maßnahme liefern. Herr Benedikt Kauertz, ifeu, erläuterte: „Die derzeit im politischen Kontext verwendeten Ökobilanzen entsprechen nicht mehr zu 100 Prozent den aktuellen Deutschen Verhältnissen.“2 Ökobilanzen müssen die auf dem Markt vorhandenen Getränkeverpackungssysteme möglichst realitätsnah abbilden. Mit veralteten Zahlen ist dieses jedoch ausgeschlossen. Der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbandes des Deutschen Getränkefachgroßhandels, Günther Guder, ist der Auffassung, dass Mehrweg wirklich Klimaschutz bedeute, da dieses System weniger CO2 in die Atmosphäre bringen würde als EinWeg mit Pfand.3 Auf welche Daten er sich bezieht und wie alt diese sind, ist leider nicht bekannt. Sollten diese wie die Kampagne „Mehrweg ist Klimaschutz“ ebenfalls 12 Jahre alt sein, sind auch diese längst überholt. In dieser Zeit wurden EinWeg mit Pfand Getränkeverpackungen erheblich leichter bei gleichzeitiger Verkürzung der Transportwege. Bekannt ist dagegen, dass das vermehrte Aufkommen der inzwischen 1.500 Individualflaschen die vorher gute C02-Bilanz von Mehrweg nach unten gezogen hat. Schließlich müssen diese zum ursprünglichen Hersteller transportiert werden, statt zum nächsten Abfüller. Und damit sind häufig weitere Wege erforderlich.

Verpackungen halten die Qualität des Mineralwassers aufrecht

Die Abfüllung von natürlichem Mineralwasser in Verpackungen ist gesetzlich angeordnet. Der Verband Deutscher Mineralbrunnen e. V. (VDM) hat zum Plan der Bundesumweltministerin, auf Flaschenwasser zu verzichten und das Trinken von Leitungswasser zu fördern, einen klaren Standpunkt. So erklärt der VDM-Vorsitzende Dr. Karl Tack: „Mit der in der Mineral- und Tafelwasserverordnung vorgesehenen Nutzung von Verpackungen fordert der Gesetzgeber, die natürliche Reinheit und Qualität des Naturprodukts Mineralwasser vor Verfälschungen oder Verunreinigungen zu schützen.“4

Natürliches Mineralwasser ist ein Naturprodukt, das aus gesicherten, tiefen Wasservorkommen stammt. Und vor allem: Um die Reinheit und Qualität zu erhalten, darf natürliches Mineralwasser nicht aufbereitet werden. EinWeg mit Pfand gewährleistet exakt das. Beim Leitungswasser sieht das indessen anders aus. Wie will die Bundesministerin garantieren, dass das aus Nachfüllstationen stammende Wasser nicht absichtlich oder unabsichtlich verunreinigt wird?

Schwellenländer benötigten funktionierende Recyclingsysteme

Die Einflussnahme auf die Bürger sieht Dr. Tack ebenfalls kritisch: „Statt in Deutschland das Verbraucherverhalten auf der Grundlage sachlich nicht haltbarer Annahmen beeinflussen zu wollen, sollte zur Eindämmung der Meeresvermüllung der Fokus stärker auf den Aufbau von Rücknahme- und Recyclingsystemen in Entwicklungs- und Schwellenländern gelegt werden.“5

Dieses wären zweifellos dringliche Aufgaben der jeweiligen Regierungen. Nur sie können mit geeigneten gesetzlichen Vorgaben und Aufklärung die Millionen Tonnen an Plastikmüll in den Meeren reduzieren. Für den meisten Abfall sind dabei China, Indonesien, die Philippinen und Vietnam verantwortlich. Wertstoffkreisläufe sowie funktionierende Pfandsysteme fehlen dort ebenso wie zumeist das ökologische Bewusstsein und Handeln. So lange sich dort nichts ändert, bleibt der Zustand der Meeresvermüllung ungelöst.

EinWeg mit Pfand ist ein vorbildliches Pfandsystem

Innerhalb weniger Jahre gelang es Getränkeherstellern, Handels-, Verpackungs- und Recyclingunternehmen, einen fast nahezu geschlossenen Wertstoffkreislauf für EinWeg mit Pfand Getränkeverpackungen zu schaffen. Der Erfolg ist eindrucksvoll: 98,5 Prozent der leeren PET-Flaschen werden von den Verbrauchern zurückgegeben. Im Vergleich dazu, werden beim Mehrwegsystem lediglich 42 Prozent der leeren Getränkeverpackungen zurückgebracht.6

Dass das Bundesumweltministerium beim anfänglichen Entwurf des Verpackungsgesetzes zunächst keine Quote für Mehrweg vorsah, spricht Bände. Zumindest schlägt der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels eine jährliche Erhöhung der Mehrwegquote vor. Dann sollen, Herrn Guder zufolge, 70 Prozent im Jahr 2021 erreicht werden. Das Problem sieht er bei den Herstellern. „Wenn ich mir das aktuelle Verhalten vieler Hersteller ansehe, sind die Innovationsankündigungen mit wenigen Ausnahmen vielfach auf Einwegverpackungen beschränkt.“7 Dennoch schlägt der Bundesverband eine weitere Lenkungsabgabe für Einwegverpackungen vor.

Heiße Sommer führen zu hoher Auslastung in der Getränkebranche

Der Sommer 2018 war heiß und lang. Davon profitierte die Getränkebranche, die in den Monaten mit 130 bis 180 Prozent überproportional ausgelastet war.8 Wenn in solchen Zeiten EinWeg mit Pfand Getränkeverpackungen aufgrund eines Verbots wegfallen sollten, würde der Leitungswasserverbrauch – und damit zugleich die Wasserkosten für jeden Haushalt – vermutlich enorm in die Höhe schießen. Um dies zu entgehen, bliebe der Weg zu den Nachfüllstationen an den öffentlichen Plätzen. Wer dies finanzieren soll, lässt die Bundesumweltministerin bislang offen.

Erst aktuelle Ökobilanzen, dann neue Vorschriften

Bevor überstürzt neue gesetzliche Vorgaben festgelegt werden, sollten aktuelle Ökobilanzen erbracht werden. Politiker und Entscheider benötigen gegenwärtige Fakten, um daraus richtige Konsequenzen zu schließen und entsprechende Maßnahme in die Wege zu leiten. Statt ein erfolgreiches Pfandsystem zu torpedieren, sollten die zahlreichen Innovationen geschätzt werden. Schließlich tragen diese erheblich zur Materialvermeidung und somit zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei.

Quellenangaben

1 https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Abfallwirtschaft/5_punkte_plan_plastik_181123_bf.pdf

2 BGVZ Broschüre: Ökobilanzen als Entscheidungsgrundlage, Berlin 2018

3 Optimierung der logistischen Kette, Getränkefachgroßhandel 10/18

4, 5 VDM Presseinformation „Deutsche Mineralbrunnen tragen nicht zur Vermüllung der Umwelt bei, 30.11.2018

6, 7, 8Optimierung der logistischen Kette, Getränkefachgroßhandel 10/18

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