EinWeg mit Pfand – gedeckelt aus Brüssel

Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu  machen. - Charles Baron de Montesquieu

Was hätte der französische Schriftsteller, Rechts- und Staatsphilosoph wohl zu den unzähligen Verordnungen und Richtlinien gesagt, die Brüssel unermüdlich vorgibt? Nicht alle sind erforderlich oder gar angemessen. Das verdeutlicht die „Single Use Plastics Strategy“ der EU.

So sieht Artikel 6 vor, dass jeder Deckel bzw. Verschluss einer Getränkeverpackung künftig während der vorgesehenen Verwendungsdauer fest mit der Flasche verbunden sein muss, wenn diese einen Großteil an Kunststoff enthält. Dieses haben die Mitgliederstaaten sicherzustellen. Bezeichnet werden diese Deckel als sogenannte Tethered Caps. Die Wirtschaftsvereinigung alkoholfreier Getränke (WAFG) kommentiert das Vorhaben mit „Die EU-Pläne zur Regulierung von Kunststoffdeckeln sind ein Stück aus dem Tollhaus (...).“1

Gegen den Plastikmüll, aber bei den Verursachern

Die EU sagt dem Plastikmüll den Kampf an. Das ist unbedingt zu unterstützen. Schließlich geht der Schutz der Meere uns alle an. Allerdings sollten gesetzliche Maßnahmen bei den Hauptverursachern ergriffen werden: in China, Indonesien, Philippinen und Vietnam. Dort muss ein Umdenken erfolgen. Dass EinWeg mit Pfand Getränkeverpackungen zu 98,5 % in den Pfandautomaten und nicht im Meer landen, behandelte bereits unser Dezember-Blog.

Eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), die im Jahr 2018 durchgeführt wurde, ergab einen hohen Rücklauf von Deckeln. Ihr zufolge werden 91 % der PET-EinWeg mit Pfand Getränkeflaschen mit Verschluss zurückgeführt, lediglich 85 % sind es bei den unbepfandeten2. Für viele Verbraucher hat dieses sicherlich praktische Gründe: Auf dem Weg zum Pfandautomaten verhindert der Deckel das Auslaufen vorhandener Restflüssigkeit.

Erfolgreiche Rückgabe in Dänemark und Deutschland

Von den zurückgegebenen EinWeg mit Pfand Getränkeverpackungen werden in Deutschland 97,9 % stofflich verwertet – auch die Deckel werden recycelt! Damit ist der eindrucksvolle Wertstoffkreislauf dieses Pfandsystems nahezu geschlossen und hat sich längst etabliert – bei den Herstellern und den Verbrauchern – und ist durchaus vorbildlich für andere Länder. „Experience in countries such as Denmark and Germany has proven that it is possible to achieve more than 90 % collection of bottles and caps.“3

Das geplante Vorhaben ist kontraproduktiv

Warum sich die Kommissionsvorschläge einzig auf Getränkeverpackungen beziehen, nicht aber auf alle weiteren Verpackungen in ihren Gestaltungsanforderungen, ist an keiner Stelle sachlich nachvollziehbar erklärt. Zusätzlich lässt Brüssel offen, wie an PET-Flaschen ständig befestigte Deckel den Plastikmüll verringern können. Einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) zufolge wird das Gegenteil eintreten: It „(...) could create between 50,000 to 200,000 tonnes more plastic; create additional CO2 equivalent of 58 to 381 million kg and an economic cost of at least €2,7 billion.“4 2,7 Milliarden € – diese Summe müssten Unternehmen investieren, um Abfüllanlagen grundlegend umzurüsten. Ein vorgeschriebenes Vorhaben, das mittelständische Unternehmen finanziell kaum leisten können.

Der BGVZ geht davon aus, dass sich der ökonomische Aufwand relevant auf die Endverbraucherpreise auswirken wird. Am Ende müssten die Verbraucher die Mehrkosten tragen. Und das, ohne einen signifikanten ökologischen Vorteil zu erzielen. Im Gegenteil. Die ökologischen und ökonomischen Belastungen wären bei Inkrafttreten des geplanten Artikels erheblich und kontraproduktiv. Mehr Emissionen sowie ein höherer Verbrauch der Ressourcen wären das Resultat.

Mehr Kunststoff, um Kunststoff zu reduzieren

Nach Willen der EU-Kommission sollen die Deckel also fest mit den Flaschen verbunden sein. Das bedeutet allerdings, dass dafür mehr Kunststoff eingesetzt werden müsste. Der Standpunkt des WAFG-Hauptgeschäftsführers, Detlef Groß, ist eindeutig: „Eine EU-Strategie zur Vermeidung von Umweltbelastungen durch Plastik, die im Ergebnis aber einen höheren Verbrauch von Kunststoffen zur Folge hat, ist widersinnig (...).“5 Und das, nachdem die Getränkeindustrie in den letzten Jahren erfolgreich den Einsatz von Materialien reduzierte und so zugleich die PET-Flaschen deutlich leichter wurden. Die Realisierung der EU-Richtlinie wäre ein erheblicher Rückschritt.

Skepsis gegenüber dem geplanten Artikel 6 der „Single Use Plastics Strategy“ zeigt auch Marie-Luise Dött, umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie betrachtet die Idee einer festen Verbindung von Plastikflasche und Deckel für Deutschland als ungeeignet, da sie in der ökologischen Gesamtwirkung keine Vorteile bringt.6

Die Produkthygiene muss weiterhin gewährleistet sein

Sollte Artikel 6 unverändert in Kraft treten, wären die Herausforderungen komplex. Die Produkthygiene muss schließlich weiterhin gewährleistet sein. Bei aktuell verwendeten Deckeln können Verbraucherinnen und Verbraucher beim erstmaligen Öffnen sicher erkennen, ob die Getränkeverpackung wirklich zuverlässig verschlossen war. Wie dieses bei den geplanten, mit den Flaschen fest verbundenen Deckeln nachvollziehbar sein soll, ist noch offen.

Richtlinienentwurf vom COREPER-Ausschuss bestätigt

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten (COREPER-Ausschuss, Comité des représetants permanents) bestätigte Mitte Januar 2019 den Richtlinienentwurf vom 19. Dezember des vergangenen Jahres. Auch der Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) bekräftigte den in den Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat getroffenen Kompromiss. Damit steht einer offiziellen Verabschiedung durch das EU-Parlament Ende März sowie im Rat der Mitgliedsstaaten nichts mehr im Wege. Wann sich letzterer trifft, steht noch nicht fest. Übersetzt und im Amtsblatt der EU schließlich publiziert, wird die Richtlinie voraussichtlich Ende April bzw. Anfang Mai 2019 in Kraft treten. Für die EU-Mitgliedstaaten bedeutet dieses: Die Richtlinie bis voraussichtlich 2021 in nationales Recht umzusetzen. Die Deckel müssten ab dann fest mit den PET-Flaschen verbunden sein – trotz aller ökologischen und ökonomischen Bedenken und Nachteile.

Höhere Quoten für recycelten Kunststoff

Für die Herstellung von PET-Getränkeflaschen hat Brüssel ebenfalls genaue Vorgaben. So sollen sie ab dem Jahr 2025 aus mindestens 25 % recycelten Kunststoff bestehen. Pro Mitgliedstaat wird dieses im Durchschnitt berechnet. Ab 2030 müssen alle Kunststoffflaschen zu mindestens 30 % aus Rezyklaten gefertigt sein.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht

Funktionierende Pfandsysteme können europaweit und gar weltweit als Vorbild für andere Länder gelten. Länder außerhalb der EU müssten dazu, wenn noch nicht existent, entsprechende Gesetze erlassen und geeignete Wertstoffkreisläufe erschaffen. Für Deutschland hält der BGVZ die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Regelungen zu Deckeln bzw. Verschlüssen für unverhältnismäßig.

Quellenangaben

1 Carsten Dierig: „Deckel-Diktat torpediert deutsches Pfandsystem“, WELT, 11.12.2018

2 Tethered Caps sind in Deutschland „ökologisch und ökonomisch unsinnig“, EUWID, 49.2018, 07.12.2018

3, 4 UNESDA Soft Drinks Europe & EFBW European Federation of Bottled Waters: More plastic, more carbon emissions, more cost: Report Higlights environmental & economic impact of tethered bottle caps, 4.12.2018

5, 6 Carsten Dierig: „Deckel-Diktat torpediert deutsches Pfandsystem“, WELT, 11.12.2018

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