Modernste UBC-Recycling Anlage Europas
Stefan Schlüter, Head Of Technical Customer Service & Product Development bei Speira GmbH im Interview
Bis eine Dose aus einem Dosenband entsteht, werden einige Fertigungsschritte durchlaufen. Das Metall wird recycelt und zu Walzbarren gegossen. Diese werden in dem weltweit größtem Aluminium-Schmelz- und -Warmwalzwerk zu Coils verarbeitet und für die Hersteller von Dosendeckeln in Grevenbroich veredelt. Bei Fertigungsbreiten von bis zu zwei Metern können 10 Millionen Dosenlaschen, 4 Millionen Dosendeckel oder 700.000 Dosenkörper aus einem gewalzten Coil entstehen. Dabei kann höchste Qualität erwartet werden – denn selbst geringste Toleranzen sind auf den Anlagen von Speira darstellbar. Um alles so effizient wie möglich zu gestalten, überwacht Speira den Fertigungsprozess der Produkte mittels modernster Inspektionstechnologie.
Wodurch sich das Unternehmen sonst noch auszeichnet, verrät Herr Schlüter, Head Of Technical Customer Service & Product Development bei Speira, im Interview.
Katrin Barz:
Was ist das Besondere an der UBC-Recyclinganlage bei Speira in Neuss?
Stefan Schlüter:
Unsere vollintegrierte Recyclinganlage mit integrierter Aufbereitung, Entlackung und Schmelzen gehört weltweit zu den modernsten UBC-Recyclinglinien. Aufnehmen kann die Anlage genutzte Aluminium-Getränkedosen (used beverage cans = UBC) mit bis zu 30% „Kontamination“ – das sind Verschmutzungen und Fremdstoffe wie zum Beispiel Plastikverpackungen. So schafft das kein europäischer Wettbewerber im Schmelzwerk. Sie bereitet die UBC direkt auf - zum Flüssigaluminium: „wie neu“, ohne Qualitätsverlust.
Katrin Barz:
Woher stammen denn die gebrauchten Dosen, die Sie recyceln? Welche Herausforderungen gibt es im Recycling von gebrauchten Aluminium-Getränkedosen?
Stefan Schlüter:
Die Dosen kommen hauptsächlich aus dem europäischen Markt. UBC werden aber auch weltweit eingekauft. Eine der Herausforderungen besteht darin, wie und wie stark die Lieferungen Fremdstoffe enthalten. Eine weitere Herausforderung ist hierbei, dass die Dose eine geringe Wandstärke hat. Also müssen wir bei jedem folgenden Prozess darauf achten, Fremdstoffe wegzusortieren und den Lack vom Metall abzulösen – aber dabei nicht das Aluminium anzugreifen, sondern dieses möglichst komplett dem Schmelzprozess zuzuführen. Eine Überoxidation, also zu viele Verbindungen mit Sauerstoff, würden ein Zerfallen des Materials begünstigen. Damit entstünde ein sehr großer Feinanteil, der anschließend weit schwieriger wieder eingeschmolzen werden kann.
Recycling gebrauchter Getränkedosen
Wenn es um die Rückgewinnung von gebrauchten Getränkedosen geht, hat jedes Land seine eigenen Vorschriften und Systeme. Diese bestimmen, wie Produkte und Materialien nach der Verwendung gehandhabt werden. Die Unterschiede wirken sich auf die jeweiligen nationalen Anteile der Dosensammlung und des Recyclings aus. Die Sammelraten sind in Europa mit durchschnittlich 76,1% (2020) am höchsten, in den USA liegen sie bei 45,2% (2020). Deutschland liegt aktuell mit einer Recyclingrate von 99% (2020) weltweit an der Spitze, dicht gefolgt von Norwegen, Finnland, Belgien und Brasilien mit 98 bis 99%. Der deutlich niedrigere europäische Durchschnitt bedeutet also: Nach wie vor verlieren wir erhebliche Mengen einer wertvollen Ressource.1 2
Länder mit hohen Anteilen wie Deutschland profitieren von hochorganisierten pfandbasierten Systemen. Pfandrückgabesysteme sind effektiv, das zeigt sich auch in den USA. Das Can Manufacturers Institute kalkulierte anhand von Zahlen von 2019, dass aus den US-Staaten, die ein Pfandsystem betreiben, etwa 77% der Dosen zurück in den Recyclingkreislauf finden – dagegen werden in den übrigen Bundesstaaten ohne Pfandsystem lediglich 36% zurückgeführt. Darüber hinaus führen nicht optimale Sortierungen in den USA immer noch dazu, dass etwa 25% der Dosen, die bis in die Verwertungsanlagen gelangen, im Kreislauf dennoch verloren gehen.3
Organisationen wie „Every Can Counts“ sind sehr aktiv dabei, das Bewusstsein des Endverbrauchers zu schärfen – und dies in mittlerweile 20 Ländern. Die Organisation, die Aluminiumlieferanten wie Speira, Dosenhersteller, Recycler und Getränkehersteller vereint, hat sich zum Ziel gesetzt, dass wirklich alle gebrauchten Dosen recycelt werden: 100 Prozent. Auch Sammelboxen am Straßenrand sollen helfen, dies zu erreichen; ebenso Initiativen, die auch ohne Rückerstattung zum Umdenken anregen.
Die 2014 eingeführte Kennzeichnung auf Dosen „Metal recycles forever“, von Metal Packaging Europe zur Verfügung gestellt, soll das Bewusstsein für den Kreislauf von Dose zu Dose verbessern. Dies stellt die Verbraucher und deren Verhalten in den Mittelpunkt der Kreislaufwirtschaft. Die Initiative von mehr als 760 Unternehmen erklärt: „Angesichts der Tatsache, dass 80 % der EU-Bürger zunehmend umweltfreundliche Produkte kaufen, wird es so wichtig wie nie zuvor, die Verbraucher einzubeziehen und genau zu informieren.“
Katrin Barz:
Warum hat sich Speira überhaupt dazu entschieden, die hohen Investitionen in den Aufbau der modernen UBC-Anlage zu tätigen?
Stefan Schlüter:
Die Sorgen über den Klimawandel werden immer größer. Damit wächst vor allem in den weiter entwickelten Märkten zugleich die Nachfrage nach CO₂-armen Produkten, zu denen auch Getränkedosen gehören. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, hat Speira sein Recyclingprodukt ORBIS entwickelt. ORBIS75 enthält mindestens 75% recycelten Aluminiumschrott aus gebrauchten Getränkedosen und Marktschrotten. Das senkt erheblich den Energieverbrauch in der Produktionsphase – bei gleichbleibender Qualität. Speira garantiert bei ORBIS einen CO₂-Fußabdruck von weniger als 1,64 kg CO₂ pro 1 kg Aluminium (2022). Das verwendete recycelte Aluminium stammt ausschließlich aus Altprodukten wie Baumaterialien, Automobilkomponenten, Lebensmittel- und Getränkedosen sowie rückgeführten Marktschrotten.
Lediglich bis zu 7% des weltweit produzierten Aluminiums werden zur Herstellung von Dosen verwendet.4 Die Herstellung von Primäraluminium war und ist sehr energieintensiv – vor allem in China. Dort wird mehr als die Hälfte des weltweiten Primäraluminiums produziert und dabei werden etwa 20 kg CO₂ je Kilogramm Aluminium in die Umwelt emittiert. In Europa dagegen hat die Aluminiumindustrie ihre Emissionen von Kohlenstoff aus der Primärproduktion seit 1990 um 55% pro Tonne reduziert. Man geht zudem davon aus, dass vermehrtes Recycling und die Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energien zu einer deutlichen Absenkung der gesamten CO₂-Emissionen führen: um 58% bis 2050 im Vergleich zu 2014. Darüber hinaus verbraucht das Recycling von Getränkedosen nur 5% der Energie, die zur Herstellung von Primäraluminium verwendet wird, und emittiert vergleichsweise nur 6% der ursprünglich erzeugten Treibhausgase.5
Katrin Barz:
Warum sollte der Materialkreislauf bei Getränkedosen überhaupt geschlossen werden – sprich: Warum sollte aus einer gebrauchten Getränkedose wieder eine neue Getränkedose werden? Ist es nicht egal, in welche Anwendungen das Material nach der erstmaligen Verwendung fließt?
Stefan Schlüter:
Die Legierung der Dose, mit jeweils spezifischen Beigaben anderer Metalle dafür, eignet sich technisch gut für den Recyclingprozess. Zugleich wächst der Getränkedosenmarkt. Jede Dose, aus der wieder eine Dose hergestellt wird, vermeidet den Einsatz von Primäraluminium, welches aus dem Rohstoff Bauxit bzw. dessen Raffinat Aluminiumoxid gewonnen werden muss – und durch die gleiche Legierung geschieht das Recycling ohne viel Auflegieren. Das bedeutet weniger Aufwand, gut für die Versorgungskette und für die Umwelt. Es ist aufgrund unterschiedlich zusammengesetzter Legierungen nur schwer möglich, zum Beispiel aus gebrauchter Folie eine Dose herzustellen. Für einen geschlossenen Kreislauf, die „Closed Loop“, ist das nicht egal. Was Anlagen wie die UBC-Linie in Neuss ermöglichen, sortenreines Recycling von Dose zu Dose, ist ein Kreislauf in höchster Effizienz.
Katrin Barz:
Ein Kritikpunkt an der Produktion von Getränkedosen ist häufig der hohe Energieaufwand. Inwiefern kann das Dosenrecycling hier einen Beitrag leisten?
Stefan Schlüter:
Wie gesagt: Lediglich bis zu 7% des weltweit produzierten Aluminiums werden zur Herstellung von Dosen verwendet.6 Zugleich gilt die Aluminiumgetränkedose gerade aus den schon genannten Gründen als meistrecycelte Verpackungsform der Welt. Je höher wir die Recyclingquote bringen, je effizienter die Anlagen arbeiten, mit denen wir Dosen recyceln, umso kleiner wird die verbleibende Umweltlast, umso „grüner“ wird die Dose und das Aluminium dafür.
In früheren Jahrzehnten war dieser Kreislauf noch ein schwierigeres Thema, eher Zukunftsmusik. Denn erst seit 1886 wird Aluminium in industriellem Maßstab hergestellt. Doch nun gibt es eine weit größere Grundmenge von Aluminium, das erstmals hergestellt worden ist. 75% von allem jemals erzeugten Aluminium sind aktuell in Gebrauch – und immer mehr davon kommt nach dem Nutzungszyklus zurück ins Recycling. Schon in vielen Anwendungsbereichen von Aluminium helfen Rückführungs- und Sammelsysteme, unser Metall im Kreislauf zu halten: von der Nutzung über das Recycling und die Weiterverarbeitung zur nächsten Nutzung, ohne Qualitätsverlust. Für die Dose beweisen wir das jeden Tag aufs Neue – für eine Welt, die rund läuft.
Speira stellt sich vor
Speira, das globale Aluminiumwalz- und Recyclingunternehmen mit Hauptsitz in Grevenbroich, hat sieben Produktionsstätten sowie ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. Beim Thema Recycling gibt das Unternehmen mit Standorten in Deutschland und Norwegen alles. So zeichnen sich Alunorf, das weltweit größte Aluminiumwalzwerk, und Grevenbroich, das weltweit größte Aluminiumveredelungsbetrieb, durch innovative Technologien aus. Für das Unternehmen ist Nachhaltigkeit sehr relevant, wie bereits der Name zeigt: Speira steht für eine kreisförmige Produktion, in der sich die steten Prozesse von Verwendung und Wiederverwertung widerspiegeln.
Speira GmbH
Aluminiumstraße 1
41515 Grevenbroich
Internet: www.speira.com/
Quellenangaben
1 https://european-aluminium.eu; Metal Packaging Europe and European Aluminium (27.02.2023)
2 The Aluminum Association; The Aluminum Can Advantage Sustainability Key Performance Indicators Overview - 2021
3 www.cancentral.com/targets; Beverage Cans - Can Manufacturers Institute | Washington, DC (24.02.2023)
4 Aluminium-vs-glass-and-plastic-FINAL-Information-Sheet-1.pdf (28.02.2023)
5 European Aluminium, Environmental Profile Report, 2018/p>
6 Aluminium-vs-glass-and-plastic-FINAL-Information-Sheet-1.pdf (28.02.2023)