Evaluierung 2021 – Verpackungsgesetz muss Systemkonflikt zwischen Einweg- mit-Pfand und Mehrweg auflösen

Einweg- mit-Pfand und Mehrweg

Berlin, 05.03.2020 – Seit Anfang 2019 gilt das Verpackungsgesetz. Im Bereich der Getränkeverpackungen schafft das Gesetz einen Konflikt der Logistiksysteme Mehrweg und Einweg-mit-Pfand. 2021 ist die Bundesregierung aufgerufen, die
Wirkung entlang der Marktrealitäten zu evaluieren. Das Ziel ist dabei klar benannt: „Der Anteil der in Mehrwegverpackungen abgefüllten Getränke soll mit dem Ziel der Abfallvermeidung gestärkt und das Recycling von Getränkeverpackungen in geschlossenen Kreisläufen gefördert werden [. . .] Ziel ist ein Anteil von in Mehrweggetränkeverpackung abgefüllten Getränken in Höhe von mindestens 70 Prozent“ (§1 Abs.3). Dieses Ziel wird 2021 erkennbar nicht erreicht werden. Die Lenkungswirkung der 70%-Mehrwegquote steht in Frage.

Weg vom Systemkonflikt – hin zur echten Kreislaufwirtschaft

„Eine wirksame ökologische Politik muss sich vom Dualismus zwischen Mehrweg und Einweg-mit-Pfand lösen. Beide Logistiksysteme sind eine Erfolgsgeschichte, haben sich im Markt etabliert und sind international vorbildhaft. Statt die Systeme gegeneinander auszuspielen, sollte eine wirksame Regulierung darauf abzielen, durch konkrete Zielsetzungen innerhalb der Systeme die ökologischen Optimierungspotenziale beider zu heben.“ (Wolfgang Burgard, Geschäftsführer BGVZ)

Bei Einweg-mit-Pfand haben sich seit der Einführung des DPG-Pfandsystems 2006 die Erfassungs- und Verwertungsquoten massiv erhöht. Die Rücklaufquote bei bepfandeten Einweg-Getränkeverpackungen liegt bei 98,5 Prozent. Gewichtsoptimierung, die Optimierung der Logistik und vor allem hohe Recyclingquoten und Rezyklateinsatz führen dazu, dass das DPG-Pfandsystem dem Mehrwegsystem heute bereits in Teilen ökologisch ebenbürtig ist. Über die konsequente Optimierung der Kreislaufwirtschaft durch verbesserte Recyclingfähigkeit der Flaschen und einen gesteigerten Einsatz von Rezyklaten lassen sich erhebliche ökologische Potentiale ausschöpfen. Die Industrie ist sich Ihrer Verantwortung bewusst und nimmt den Ressourcen- und Klimaschutz sehr ernst. Die führenden Branchenverbände verpflichten sich daher zu einem verbindlichen Einsatz von mindestens 50 Prozent Rezyklat bis 2025.

Politik und Wirtschaft brauchen Orientierung

„Wirksamkeit braucht Evidenz und wissenschaftliche Expertise. Zur Identifizierung der ökologischen Optimierungspotentiale benötigen wir neue ökobilanzielle Untersuchungen der Logistiksysteme Mehrweg und Einweg-mit-Pfand, die die Marktveränderungen der vergangenen Jahre abbilden. Nur so kann eine wirksame ökologische Regulierung des deutschen Getränkemarktes gelingen.“ (Wolfgang Burgard, Geschäftsführer BGVZ)

Der Bund der Getränkeverpackungen der Zukunft (BGVZ) hat die 2021 anstehende Evaluierung zum Anlass genommen, mit zwei Studien der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) in 2019 die aktuellen Marktverhältnisse zu ergründen. Wir leisten so unseren Beitrag zu einer wissenschaftlichen Evaluierung des deutschen Getränkemarktes. Diese zusätzliche Evidenz und wissenschaftliche Expertise ist notwendig,

  • weil die aktuellen Untersuchungen und Ökobilanzen nicht mehr die Realitäten im Markt abbilden. Schon 2018 hat das Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) im Auftrag des BGVZ die verfügbaren Ökobilanzen des Getränkeverpackungsmarktes diesbezüglich untersucht. Die letzten ökobilanziellen Untersuchungen beziehen sich auf das Jahr 2008/2009 und sind damit nicht mehr repräsentativ.
  • weil die Quote nicht das richtige Instrument für einen ökologischeren Getränkemarkt ist. Das Umweltministerium wusste, dass die Quote am Markt nicht wirken wird und hatte sie konsequenterweise aus dem Regierungsentwurf zum Verpackungsgesetz gestrichen. Der Gesetzgeber hat die Quote zwar beibehalten, aber mit der Auflage, die Entwicklung des angestrebten Mehrweganteils „kritisch zu bewerten“. Das lässt auch zu, die Quote durch ökologisch zielführendere Maßnahmen zu ersetzen.

Mehrwegquote setzt wirtschaftliche und ökologische Fehlanreize

Der Anteil der Individualflaschen im Markt ist entscheidend für die ökologische Vorteilhaftigkeit der Mehrweggebinde. Je weiter die vollen und leeren Flachen gefahren werden, desto stärker leidet die Ökobilanz. Pool-Systeme, bei denen mehrere Unternehmen dieselben Flaschen zur Abfüllung ihrer Produkte nutzen, reduzieren Transportwege. Individualflaschen können hingegen nur von einem Unternehmen benutzt werden. Im Extremfall muss eine Individualflasche (Mehrweg) zur Wiederbefüllung leer von Hamburg nach München gefahren werden. Die GVM hat im Auftrag des BGVZ nun erstmals den Anteil der Pool-Flaschen im Mehrsystem untersucht. Demnach stieg der Anteil von Individualflaschen im gesamten Mehrwegsystem zwischen 2012 und 2017 von 33 Prozent auf 37 Prozent.

Ziel der Mehrwegquote war es, den Mehrwegmarkt zu schützen. Geschützt durch die Quote haben die Verpackungsgewichte und Lieferketten in den vergangenen Jahren jedoch nur geringe Optimierungen erfahren. Zeitgleich hat der zunehmende Wettbewerb (Marketing) zwischen den Abfüllern zu einer rasanten Zunahme von Individualflaschen und -kästen geführt. Pool-Systeme sind auf dem Rückzug. Damit steigen die Transportdistanzen und sinken die Umlaufzahlen. Der ökologische Vorteil der Mehrwegsysteme sinkt. Insoweit setzt die Mehrwegquote hier klare ökologische und wirtschaftliche Fehlanreize. Sie durch ordnungspolitische Eingriffe auf reale 70 Prozent hochzutreiben, ist weder ökologisch sinnvoll, noch logistisch und wirtschaftlich umsetzbar.

Umsetzung der 70%-Quote ökologisch und ökonomisch fragwürdig

In einer zweiten Untersuchung hat die GVM errechnet, welche Auswirkungen eine erzwungene Durchsetzung einer 70 prozentigen Mehrwegquote in den aktuellen Marktverhältnissen hätte. Die Studie zeigt:

  • Um einen Mehrweganteil von 70 Prozent zu erreichen, müssten 9,7 Mrd. Liter alkoholfreie Getränke zu Mehrwegverpackungen umgewandelt werden. Das entspricht dem aktuellen deutschen Biermarkt.
  • Das LKW-Aufkommen für den Getränkebereich würde bei einem Mehrweganteil von 70 Prozent um 37 Prozent ansteigen. Das sind 2.850 LKW mehr – jeden Tag. Dies entspricht rund 400.000 Tonnen CO2-Äquivalente.
  • Die deutschen Endverbraucher kostet eine 70 Prozent Mehrwegquote allein bei Mineralwässern zwischen 800 Mio. € (MW-Glas) und 1,2 Mrd. € (MW-PET) ohne zusätzliche Steuern, Abgaben oder Investitionen.
  • Getränke in Mehrwegverpackungen wiegen 58 bis 87 Prozent mehr als Getränke in Einwegverpackungen (inkl. Umverpackungen). Der Ressourcenverbrauch steigt.
  • Die Umstellung auf Mehrweg-Packmittel hat starke Auswirkungen auf das Voll- und Leerguthandling in Industrie und Handel. Individualkästen und –flaschen und die steigende Einzelflaschenrückgabe führen zu einem höheren Flächenbedarf und Mehraufwand im Leerguthandling.

Studien

GVM Studien können Sie hier herunterladen.

Zurück